Goldene Palme Oscar®: Bester Film

Parasite (Schwarz-Weiß-Version)

기생충 / Gisaengchung

Südkorea 2019 132 min

Regie: Bong Joon-ho

Darsteller: Song Kang-ho, Cho Yeo-Jeong, Park So-dam, Chang Hyae Jin,Jung Hyeon-jun

FSK: 16

Die Oscars 2020 haben einen eindeutigen Gewinner: Bong Joon-ho gewann mit PARASITE die Auszeichnungen für das beste Originaldrehbuch, den besten internationalen Spielfilm und als erster nicht englischsprachiger Film auch die Königskategorie: den besten Film. Zwischendurch wurde Bong Joon-ho auch noch als bester Regisseur geehrt.

Tatsächlich wurde die Schwarz-Weiß-Version noch vor der farbigen Variante aufwendig und Schritt für Schritt fertiggestellt. Es ist nämlich gar nicht so einfach, einen Film einfach in Schwarz-Weiß umzuwandeln, wie Bong Joon-ho berichtet. Was jedoch durch die fehlende Farbe vermehrt hervortritt, sind die Strukturen der Oberflächen. So wird vor allem der Kontrast zwischen der armen Familie Kim und den reichen Parks noch verstärkt hervorgehoben.

Familie Kim ist ganz unten angekommen: Vater, Mutter, Sohn und Tochter hausen in einem grünlich-schummrigen Keller, kriechen für kostenloses W-LAN in jeden Winkel und sind sich für keinen Aushilfsjob zu schade. Dennoch kommt kein Hauch von Verzweiflung auf. Mit mal stoischer, mal sarkastischer Trotzigkeit, mit Frohmut, Improvisationskunst und dem Falten von Kartonschachteln für einen Pizzalieferanten kommt man gemeinsam über die Runden. Hilfreich ist die Lebensmaxime des Vaters, der rät, man solle keine Pläne schmieden, denn wo kein Plan sei, könne auch nichts schiefgehen.
Ein Schulfreund verschafft dem Sohn ein Vorstellungsgespräch als Nachhilfelehrer für die Tochter einer reichen Familie. Mithilfe manierlicher Bravheit und einem gefälschten Diplom schafft es Ki-woo sofort, das Vertrauen der Familie Park und damit die Anstellung zu ergattern. Doch das ist erst der Anfang. Schon bald empfiehlt Ki-woo für das künstlerisch begabte doch psychisch angeschlagene Söhnchen der Parks eine bekannte Kunstpädagogin zu beschäftigen: So findet unter falscher Identität auch Ki-jung eine gut bezahlte Anstellung. Mit hinterhältigen Tricks sorgen die Geschwister dafür, dass der Chauffeur und selbst die langjährige, großes Vertrauen genießende Haushälterin der Familie entlassen werden. An ihrer Stelle – wiederum mit geschummeltem Lebenslauf und unter falscher Identität – werden Vater Ki-taek und Mutter Chung-sook in den Haushalt der Parks aufgenommen.
Damit sind die dramaturgischen Karten aus- und offengelegt: Eine reiche und eine arme Familie unter einem Dach, eine (vermeintlich) bestimmende und eine dienende.
Regisseur Bong Joon-ho kann nun seine Vorliebe, Genres zu durchmischen, voll auskosten. Streckenweise bewegen wir uns auf dem Parkett der Komödie, in ernsteren Momenten blitzt schon fast die Sozialstudie auf, dann wieder, wenn die parasitäre Familie aufzufliegen droht, wird „Parasite“ zum Thriller, der das Wissensgefälle zwischen Figuren und Zuschauern aufreibend zu nutzen weiß.


Wenn „Parasite“ in Cannes als erster koreanischer Film mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, dann wohl auch, weil er ein originelles, komplexes, gewiss bizarr überdrehtes, doch in seiner Brüchigkeit allgemeingültiges Gesellschaftsbild entwirft. Bong Joon-ho ist gleichwohl nicht an einem moralischen Fingerzeig interessiert. Er selbst charakterisiert sein Werk als «eine Komödie ohne Clowns und eine Tragödie ohne Bösewichte». Alle Figuren sind auf ihre Weise gefangen und befangen, sei es von materiellen und psychischen Nöten, sei es von Erziehung und sozialem Druck, sei es von rauen tierischen Impulsen oder sublimen Lifestylevorgaben der Konsumgesellschaft. Offensichtlich erkämpft sich niemand seinen Weg ganz für sich allein, ohne andere zumindest ein bisschen auszunutzen.

Start: 21.02.2020