Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts greift die technische Zivilisation so sehr in die äußere Gestalt des Globus ein, dass inzwischen vom „Anthropozän“ als dem neuen Erdzeitalter gesprochen wird. Der visuell bestechende Dokumentarfilm unterrichtet über den zwiespältigen Umbau des Planeten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dabei verdichtet sich die Vielzahl unterschiedlichster Beobachtungen zu einem weltumspannenden Netz, das Ausmaß, Wucht und Drama der menschengemachten Eingriffe in das natürliche Gleichgewicht verdeutlicht.
„Die Epoche des Menschen“ ist der letzte Teil einer interdisziplinären Trilogie, die sich menschengemachten Naturphänomenen widmet – „Manufactured Landscapes“ (2006) beschäftigte sich mit Terraforming, und „Watermark“ (2013) mit der Bedeutung des Wassers für den Planeten, die Menschen und ihre Kultur. „Die Epoche des Menschen“ verbindet nun beide Blicke und ergänzt sie um eine Vielzahl an Phänomenen. Den Filmemachern geht es dabei um den Zusammenhang zwischen dem großen Ganzen und Einzelbeispielen.
Die Kameraarbeit von Nicholas de Pencier spielt dabei eine essentielle Rolle, denn die Kombination aus gewaltigen Panoramen und präzisen Detailaufnahmen macht es erst möglich, das Ausmaß der Eingriffe in die Natur und den dadurch bedingten Dominoeffekt zu überblicken. Andererseits ist es dennoch möglich, das Drama einzelner Zerstörungen wahrzunehmen. Wenige der hier gezeigten Phänomene sind für Menschen, die sich für Umweltschutz interessieren, wirklich neu, doch die Akkumulation verdeutlicht ein globales Problem, das niemand mehr ausblenden kann.
Auf diese Weise wird schnell deutlich, in welchem Anmaßung ökonomische Belange über alle anderen gestellt werden – über Flora und Fauna, über Ozeane und selbst über Ortschaften, die etwa von Braunkohleunternehmen aufgekauft und umgesiedelt werden, um an die Rohstoffe zu kommen. Dass dann monströse Bagger von über hundert Meter Länge und 12.000 Tonnen Gewicht den Abbau vornehmen, wirkt so unwirklich, als kämen sie direkt aus einem dystopischen Endzeitfilm.
Den Beauty-Shots in Naturdokus stellt der Film die dystopische und perfide Schönheit dessen gegenüber, was die systematische Zerstörung und Disruption der Erde dem Globus antun. Die Close-up-Kamerafahrten durch russische Minen, in denen Pottasche abgebaut wird, ähneln in ihren rot-weißen Gesteinsverwirbelungen einem psychedelisch wabernden Bildschirmschoner. Ähnlich leuchten die Verdunstungsbecken in der Atacama-Wüste an der südamerikanischen Pazifikküste in unnatürlich knalligen Farben zwischen Neongelb, Orange und Helltürkis – wie eine überdimensionierte Pool-Landschaft. Hier wird Lithium gewonnen. Die giftige Brühe täuscht in ihrem schimmernden Farbenreichtum leichthin über die Gefahr für Grundwasser und Ozeane hinweg. Immer wieder ertappt man sich beim bewundernden Staunen ob der wundersamen Schönheit, die nur durch massive Zerstörung entstehen kann. Das macht „Die Epoche des Menschen“ zu einem wichtigen Film, denn er versucht genau diesen blinden Fleck im Umgang mit der Erde zu beleuchten.
Start: 07.09.2021