Körners Corner - schreiben über Film


10. Dezember 2024

Hund geht immer

Natürlich haben es ziemlich letzte starke Bilder besonders leicht, sich in der Rückschau eines ganzes Jahrgangs einzuprägen. Doch eines ist klar: Mindestens die Eröffnungssequenz von Spätstarter BLACK DOG wird sich für noch längere Zeit halten können.
Was ist zu sehen? Ein stiller, langsamer Schwenk von links über das Tableau der Wüste Gobi, ein Bus fährt in der Ferne auf staubigem Weg. Dann plötzlich, so, als kämen sie direkt aus der rechten Wand des Kinosaals gestürzt, das rasselnde Hechten eines fulminanten Hunderudels runter zur Straße, die Kamera geht mit ihm sanft wieder zurück nach links, stoppt, der blaue Bus kippt um bei voller Fahrt und bleibt auf der Seite liegen. Zweieinhalb Filmminuten sind vergangen – man sucht das erste Mal seinen eigenen Atem.
Hund geht immer und wir sprechen hier nicht vom Kinderkino. DOGMAN von Luc Besson (2023) war so ein Werk, das in einigen seiner Szenen mühelos überlebt hat. 2025 startet der schwarzhumorig angelegte HUNDSCHULDIG aus der Schweiz, der die Gesellschaft nach drei Hundebissen seziert. Bis dahin aber wird das exzellente Leinwandstück des Chinesen Guan Hu selbst jene erreichen können, die mit Vierbeinern in Hundeform so gar nichts anfangen können. Es liegt an einer starken Geschichte, einer grandiosen Optik und es liegt vielleicht auch daran, dass wir hier die zeitgenössische Adaption eines Westerns serviert bekommen. Denn, vielleicht war es schon zu erlesen, das mit den Hunden und dem Bus in karger Landschaft könnten auch die Pferde einer Bande mit Postkutsche als Ziel sein. Und später wird ein Grill-Imbiss zum Saloon.
Allerdings: Es sind noch 51 Tage bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking. 2008 also. Peking ist fern dort in der Kleinstadt, die die Wüste vor ihren Toren weiß. Trotzdem kehrt der wortkarge Lang, gespielt vom Taiwanesen Eddie Peng, hierhin zurück. Zehn Jahre war er weg, im Knast wegen Totschlags. Opfer war der Neffe des einflussreichsten Paten der Stadt, der noch immer seine Bedrohungsszenarien pflegt. Lang, der ehemalige Motorrad-Stuntman und Rocksänger, scheint sich dagegen gewappnet zu haben. Schließlich sollte er auch für seinen sterbenskranken Vater da sein, Langs Schwester ist nur am Telefon und klagt über ihre klamme Geldsituation.
Lang ist ein Outsider, ein einsamer Wolf - ein Hund? Es wundert nicht, dass er ausgerechnet in einem dürren, schwarzen Windhund einen Seelenfreund entdecken wird, einen, der in vergleichbarer Lage ist, auf den es die Hundefänger besonders abgesehen haben und dem sie Tollwut andichten. Hundefänger ist ein gefragter Job, es gibt Arbeit zuhauf. Doch die Tiere haben gleichsam ein riesiges Terrain zum Streunen und Wohnen, die Hügel nahe des Zentrums machen sie zu Wächtern über Optionen. Die Menschen sind schon weg aus den einstigen Neubauvierteln oder werden umgesiedelt, der Abriss naht oder ist im Gange. Um für die menschliche Zukunft fragwürdige Modelle zu entwerfen, müssen die Hunde weg. Als würde sie dadurch wirklich schöner werden.
Lang macht mit, um überhaupt eine Arbeit zu haben. Doch irgendwann schweißt er einen (Hunde-)Seitenwagen für sein Motorrad, lässt seinen Schwarzen einsteigen, hört Pink Floyds „Mother“ (nicht etwa „Dogs“, das wäre viel zu deutlich) aus der kleine Quiekekassette am Lenkrad und holt sich seine Würde zurück.
Guan Hu misstraut den Worten und vertraut den Metaphern seines Films. Diese beim Sichten zu entschlüsseln, ist in BLACK DOG aber bestenfalls Teil des Bonusprogramms. Nach einer Laufzeit von knapp 90 Minuten gibt es übrigens nochmals eine atemluftraubende Szene mit Rudel in der Wüste. Diesmal mittendrin.

Post für Andreas Körner