Die irische Designerin Eileen Gray baut 1929 ein Refugium an der Côte d’Azur. Ihr erstes Haus ist ein diskretes, avantgardistisches Meisterwerk. Sie nennt es E.1027, eine kryptische Kombination aus ihren Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es gebaut hat. Als Le Corbusier das Haus entdeckt, ist er fasziniert und besessen. Später überzieht er die Wände mit Malereien und veröffentlicht Fotos davon. Gray bezeichnet diese Malereien als Vandalismus und fordert ihre Rücknahme. Er ignoriert ihren Wunsch und baut stattdessensein berühmtes Le Cabanon diekt hinter E.1027, das bis heute die Erzählung des Ortes dominiert.
Rezension: Körners Corner
„Im Mittelpunkt dieses Films steht ein ungelöster Konflikt. Man kann argumentieren, dass Le Corbusier nichts falsch gemacht hat. Eileen Gray war schon weg, als er auftauchte. Jean Badovici gab ihm die Erlaubnis für die Wandmalereien und ermutigte ihn sogar. Aber ist es in Ordnung, die künstlerische Vision eines anderen Künstlers zu verletzen und sich anzueignen? Ich sah darin einen interessanten Ansatzpunkt für einen Film. Für mich geht die Verletzung weit über die weißen Wände eines Hauses hinaus." Beatrice Minger
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Künstlerinnen auf die Künste beschränkt, die sich mit Innenräumen befassten - Möbel und Innenarchitektur, Malerei oder Schreiben. Eileen Gray verließ die Enge des Innenraums und betrat das äußere, männliche Territorium - die Architektur. Le Corbusier - der Zeus der französischen Moderne - reagiert darauf und weist sie in ihre Schranken. Abgesehen von den historischen Geschlechterrollen handelt es sich hier um einen Konflikt um die Darstellung eines grundlegend anderen Standpunkts, einer anderen Stimme.
Eileen Gray- und Le Corbusier- Experten sind sich in der Frage der Urheberschaft und der Verantwortung immer noch uneins. Auch der Renovierungsprozess des Hauses war von den gegensätzlichen Meinungen der beiden Lager geprägt. Heute ist „E.1027“ ein Museum, das einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Beide Standpunkte stehen sich gegenüber, sind miteinander verwoben. Damit geht die Debatte weiter.