Nach einem schweren Unfall bricht ein berühmter französischer Reiseschriftsteller zu einer heraufordernden Wanderung von der Provence bis zur Normandie auf, die für ihn zugleich eine Flucht vor persönlichem Schmerz und einen inneren Heilungsprozess darstellt. Das auf einem autobiografischen Roman von Sylvain Tesson basierende Reisedrama kartografiert mit sanfter Poesie ein verborgenes, vom Zeitgeist vergessenes Frankreich jenseits der Metropolen.
Kein Postkartenkitsch, keine touristischen Highlights, selbst wenn Mont-Saint-Michel das Ende des Weges markiert, keine „Ahs“ und „Ohs“, sondern Waldeinsamkeit, ein Frankreich abseits des Asphalts, jenseits der Städte und Straßen, ein nur anhand altertümlicher Landkarten aufzuspürendes Parallelfrankreich, in das nachts kein künstliches Licht fällt und sich tagsüber kaum jemand verirrt.
Für Pierre sind diese „geheimen Pfade“ keine „Schleichwege“, sondern „Fluchtwege aus der Gegenwart“. So jedenfalls hält er es unterwegs in seinem Notizbüchlein fest. Dass es aber nicht nur der erbarmungslose Fortschritt ist, dem Pierre entflieht, sondern auch seine eigene Gegenwart, verraten die fragmentarisch eingestreuten Rückblenden, die ihn nach einem Sturz schwerverletzt und mit einer ungewissen Prognose im Krankenhaus zeigen. Während die Ärzte darüber spekulieren, ob er jemals wieder richtig gehen kann, plant Pierre bereits jene Wanderung, auf der er sich nun befindet. So ein Typ ist dieser Pierre auch: willensstark, bärbeißig und abenteuersüchtig, aber auch ein bisschen größenwahnsinnig.
„Manche Menschen“, philosophiert er in seinen Notizen, „wollten gern in die Geschichte eingehen. Einige von uns verloren sich lieber in der Geografie.“ Ein andermal zitiert er Napoleon, der zwei Arten von Menschen unterschieden habe: Menschen, die befehlen, und Menschen, die gehorchen. Als Pierre an diesem Tag aber seine „Strümpfe am schlammigen Bett des Var auswrang“, habe er erkannt, dass der französische Kaiser eine dritte Art vergessen habe: „Menschen, die fliehen.“ Doch auch bei denen handle es sich um Menschen, die befehlen, und zwar nicht weniger als ihrem Schicksal.